Langzeit-Untersuchung

“Long term effects of stimulants on neurocognitive performance of Taiwanese children with ADHD”

C.Tsai et al BMC, Psychiatry 2013, 13:330-340

Die Autoren untersuchten 171 Kinder mit ADHS im Alter von 6-12 Jahren gematcht mit 47 Kindern ohne ADHS. Die Diagnose ADHS wurde mit Hilfe einer ADHS-Ratingscale gestellt. Bei jedem Kind wurde der Intelligenztest HAWIK III durchgeführt. Diese Untersuchungen wurden nach 12 Monaten wiederholt. Kinder mit einer ADHS schnitten im HAWIK III schlechter ab als die Kontrollgruppe. Vor allem in den Untertests „Gemeinsamkeiten finden“, „Wortschatz und Zahlen nachsprechen“ zeigten sie deutlich unterdurchschnittliche Ergebnisse.

Unter medikamentöser Therapie mit Methylphenidat (MPH) verminderte sich signifikant die ADHS-Symptomatik gemessen in der ADHSRatings-Scale. Im HAWIK III stiegen die Werte in den Untertests „Bilder ergänzen“, „Bilder sortieren“ und „Zahlen-Symboltest“. Kinder in der Altersgruppe 6-8 verbesserten sich signifikant stärker als Kinder aus der Altersgruppe 9-12. Die Autoren schließen daraus, dass eine Langzeit MPH-Therapie die neurokognitiven Leistungsprofile der Kinder mit ADHS verbessert.

Eine frühzeitige Therapie zeigt größere Erfolge. 

Kommentar: Die Studie weist auf, dass die höheren Werte im HAWIK III der Kinder mit ADHS unter MPH-Therapiedurch eine Verbesserung der Impulskontrolle und des Arbeitsgedächtnisses entstehen. Es findet also kein „brain enhancement“ statt, wie in Laienkreisen immer noch gerne unterstellt wird. Den betroffenen Kindern wird es jetzt ermöglicht, ihr kognitives Potential besser auszuschöpfen. Dies kann sich dann unter anderem in besseren Schulnoten bemerkbar machen, wie schon Scheffler et al 2009 belegen konnten. Auch im klinischen Alltag erleben wir es: das von den Lehrern beobachtete „sie/er könnte mehr“ wandelt sich in „endlich zeigt sie/er, was sie/er kann“. Die Schulnoten werden besser; mit den Erfolgserlebnissen nehmen die Freude an der Schule und Anstrengungsbereitschaft zu. Interessant ist die Beobachtung der Autoren, dass eine frühzeitige medikamentöse Behandlung, Arbeitsgedächtnis und impulsives Agieren stärker positiv beeinflusst als ein späterer Therapiebeginn. Auch dies ist neurobiologisch nachvollziehbar: Mit Aktivierung der striato-thalamoprefrontalen Netzwerke können wichtige neuronale Entwicklungsprozesse stattfinden, die ihrerseits wieder Reifungsprozesse in Gang setzen können und so ein „normales Funktionieren“ der Netzwerke ermöglichen. Untersuchungen von Rubia et al 2013 unterstützen diese Hypothese. Für die Praxis bedeutet dies: frühestmögliches Erkennen und Diagnostizieren einer ADHS gefolgt von einer wirksamen Therapie.

Kirsten Stollhoff

Quellen:

Scheffler, R: et al Pediatrics 123,5,1273-1279, 2009

Rubia K., et al Biol. Psychiatry doi.org/10.1016/j.

biopsych.2013.10.016